Spiele in der Natur sind für die gesunde Entwicklung von Kindern unverzichtbar. Warum Risiko Kinder weiterbringt und wieso Bewegung schlau macht.
Für Kinder heute ist es ungleich schwerer als früher, sich selbst und die Natur intensiv zu erleben. Vor allem ihre Chancen auf spontane Spiele in der Natur, deren Ausgang nicht von vornherein abgesichert ist, schwinden. „Je höher die Bevölkerungsdichte einer Gemeinde, desto weniger Möglichkeiten haben Kinder, sich in der Natur aufzuhalten“, bestätigt Dr. Christian Alt, Leiter der Kinderpanel-Studie des Deutschen Jugendinstituts, „dafür nutzen sie weit häufiger institutionelle Angebote.“
Statt aufregender Waldnachmittage sind es nun oft angelegte Barfußpfade oder Hochseil-Erlebnisseminare, die Kindern helfen, die Möglichkeiten ihres Körpers kennenzulernen und Mutproben zu bestehen. Statt natürliche Lebensvorgänge unmittelbar wahrzunehmen, erfahren sie durchs Fernsehprogramm, wie sich Tiere und Pflanzen entwickeln.
Kinder brauchen Abenteuer
Dass Kinder schleichend ihrer Abenteuer beraubt werden, hat viele Ursachen. Natürliche Spielräume wie Brachflächen und wenig befahrene Straßen sucht man heute vielerorts vergebens. Oft bleiben den Kindern nur Spielplätze mit Geräten, die eine von Erwachsenen vorgegebene Funktion erfüllen. Fantasievolles Spiel ist hier nicht vorgesehen. Und schon gar kein unbeobachtetes Abenteuer: Das wachsame Auge der Eltern ist überall, vor allem wegen des Verkehrs.
Doch selbst in durchaus kinderfreundlichen Wohngegenden ist es für Eltern nicht immer leicht, ihren Nachwuchs für ausgelassenes Toben an der frischen Luft zu begeistern: Statt draußen auf Entdeckertour zu gehen, erleben Jungen - und zunehmend auch Mädchen - Spannung oft lieber am Bildschirm. Zwar lassen sich längst nicht alle Kinder von Computer und Co. vom freien Spiel mit Freunden abhalten. Doch während die einen in gesundem Maße von multimedialen Angeboten profitieren, kennen andere keine Grenzen. Die akustische und optische Reizüberflutung lässt ihre übrigen Sinne verkümmern - ein schichtenübergreifendes Problem. Und ein gefährlicher Teufelskreis, warnt Thomas Lang, Autor des Ratgebers „Kinder brauchen Abenteuer“: „Je umfangreicher und massiver das Kind diese Sekundärerfahrungen macht, desto geringer werden im Vergleich dazu seine Möglichkeiten, eigene Primärerfahrungen zu sammeln. Nichts in seinem Schatz an alltäglichen Erfahrungen ist nur annähernd dazu angetan, sich mit diesen spektakulären Ereignissen messen zu können.“
Kleine Abenteuer statt Extra-Kicks
Klettern, Rafting, Segeltörns - bei vielen der unzähligen Angebote der Erlebnispädagogik scheint es nach oben keine Grenzen zu geben. Autor Lang ist kritisch: „Natürlich können all diese Aktivitäten ein hohes Maß an Abenteuer beinhalten, jedoch sind sie damit auch meilenweit vom Lebensalltag der Kinder und Jugendlichen entfernt.“
Über derartige „Extra-Kicks“ werde die Spirale, nach der alles immer noch spektakulärer sein müsse, weiter beschleunigt, „dabei haben gerade für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren unzählige Beschäftigungen das Potenzial, zum Abenteuer zu werden.“
Es müssen nicht immer ausgeklügelte Kurse mit klarer pädagogischer Zielsetzung sein. Auch Eltern können ihren Kindern zu großen und kleinen Abenteuern verhelfen - und das mit ganz einfachen Mitteln.
Oft genügt schon ein Rückblick auf die eigene Kindheit, um passende Ideen zu entwickeln: unter freiem Himmel schlafen und den Geräuschen der Nacht lauschen. Im Sommer Waldbeeren sammeln, im Herbst ein wärmendes Lagerfeuer entzünden, im Winter ein Iglu bauen.
Einen Abend bei Kerzenschein verbringen, ohne Fernseher und Radio. Auf einem selbst gezimmerten Floß auf den See hinauspaddeln, nach der Schule ein Picknick im Park veranstalten. So simpel solche Aktionen durchzuführen sind, so hoch lassen sie Kinderherzen schlagen! Denn sie finden in ungewohnter Umgebung statt oder heben sich zumindest deutlich vom Alltag ab.
Solche Familienunternehmungen bieten Eltern auch immer wieder die Chance, gemeinsam mit ihren Kindern Gefahrenquellen auszuloten. Zündeln oder mit Wasser experimentieren werden diese früher oder später sowieso. Besser also zunächst unter fachkundiger Anleitung.
Wie zu allen Zeiten gilt: Die wahren Abenteuer lauern im Freien! Vor allem der Wald bietet Kindern eine unvergleichliche Bühne für Rollenspiele, Bautätigkeiten und Erkundungen. Die dort erlebte Bewegungsfreiheit und vielfältige Sinneserfahrungen setzen die kindliche Kreativität ganz von selbst in Gang. Wenn Eltern sie zulassen, sind Kinderabenteuer im Wald vorprogrammiert!
Abenteuer für Kinder - aber bitte ohne Eltern
So wichtig es ist, dass Eltern immer wieder die Voraussetzungen für solch anregende Erlebnisse schaffen: Noch bedeutsamer ist es, dass sie ihrem Kind beizeiten das nötige Vertrauen schenken und sich zurückziehen. Oder waren bei den aufregendsten Erlebnissen Ihrer Kindheit etwa Mama und Papa dabei?
Meist mit Beginn der Grundschule entwickeln Kinder den Wunsch, die Welt mit Gleichaltrigen zu erkunden. Sie wollen sich stark und mutig fühlen, Geheimnisse teilen, sich frei von äußeren Zielen ein wenig vom Vertrauten lösen. Da haben Eltern nichts verloren!
Denn neben allen nützlichen Kompetenzen, die Abenteuer vermitteln, geht es doch vor allem um ein Lebensgefühl, das nur die Kindheit bietet. Dürfen Kinder solche Momente voller Nervenkitzel, Freiheit und Freundschaft erleben, werden diese ihnen noch Jahrzehnte später ein Lächeln ins Gesicht zaubern.