Eltern sollten auch darüber nachdenken, wo sie selbst Auslöser des nervenden Verhaltens sein könnten, indem sie sich widersprüchlich benehmen, sagt Faas. „Wenn zum Beispiel die Eltern sich und ihrem Kind öfters ins Wort fallen, kann ihr Kind kein Gespür dafür entwickeln, wie man sich in solchen Situationen höflich verhält.“
Sich in andere einfühlen und sich ausmalen, wie es einem anderen in einer bestimmten Situation geht, das könnten Kinder zwar erst ab dem Grundschulalter, aber das heiße nicht, dass man rücksichtsvolles Verhalten nicht schon vorher üben kann, sagt Faas. „Man kann Kinder nicht ungezügelt gewähren lassen und dann plötzlich sagen: ,So, jetzt bist du sieben, jetzt muss das aber klappen."
Aufmerksamkeit wird - lautstark - eingefordert
Erwachsene seien heute schnell von Kindern genervt, weil sie ein falsches Bild von Kindern haben, sagt der Schweizer Kinderarzt und Erfolgsautor Remo H. Largo. Kein Wunder: Viele hätten heute gar keine Erfahrung mehr mit Kindern - bis die eigenen kommen. „Sie unterschätzen das Maß an Aufmerksamkeit, das ein Kind braucht, und fühlen sich gestresst, weil sie ihren eigenen Interessen zu wenig nachgehen können“, sagt Largo. „Doch das Kind wird diese Aufmerksamkeit - notfalls lautstark - einfordern.“
Eltern dürften es sich nicht zu einfach machen wollen, sagt der Mediziner. „Kinder sind zeitintensiv, weil sie uns als Vorbilder brauchen. Das kann mühevoll sein, dafür braucht man Zeit und Geduld. Aber Kinder dürfen zu Recht von uns verlangen, dass wir uns für sie interessieren und mit ihnen gemeinsam etwas unternehmen.“
Die Grenzen von Kindern sollten immer nachreguliert werden
Das bedeute nicht, dass Erwachsene alles tun sollten, was Kinder von ihnen verlangen, nur damit sie nicht nerven, sagt Largo. „Kinder bereiten uns dann am wenigsten Mühe, wenn wir ihre Bedürfnisse zuverlässig und angemessen befriedigen.“ Dabei sollte man ihnen weder alles abnehmen, noch ihre Fähigkeiten ständig überschätzen.
„Da sich Kinder immer weiterentwickeln, erfordert das ein ständiges Justieren und Abwägen“, sagt Largo. „Die perfekte Übereinstimmung aller Familienmitglieder lässt sich - wenn überhaupt - immer nur für eine kurze Zeit erreichen.“
Deswegen ist es ganz logisch, wenn es in einer Familie ab und zu knallt, findet meine Nichte Lola. „Wenn man viel miteinander zu tun hat, dann nervt man sich eben auch", sagt sie. „Das ist aber doch nicht so schlimm. Mama sagt, wenn ich Luis nicht mögen würde, dann könnte er mich auch nicht so nerven.“